450 Jahre Mühlhäuser Gymnasien

Das Gymnasium war die erste höhere Schule, die im Zuge der Einführung der Reformation unter dem Druck der evangelischen Schutzherren vom Mühlhäuser Rat eingerichtet wurde.In der Reformation sind auch die Wurzeln einer völligen Neuordnung des deutschen Bildungswesens und seiner Ideale zu finden. Durch die Schaffung von Lateinschulen sowie Gymnasien versuchte das Luthertum, seinen Bildungsauftrag auf eine breitere, für die Bürger allgemein zugänglichere Basis zu stellen.

Das Mühlhäuser Gymnasium führte seine Etablierung auf das Jahr 1543 zurück. Jedoch in der Kirchen- und Schulordnung der Stadt Mühlhausen vom 22. September 1542 findet sich dazu bereits der Gründungsauftrag. Sie ist die eigentliche Geburtsurkunde des Mühlhäuser Gymnasiums. Die Anordnung von 1542 bestimmte, "dass auch eine städtische Schule, in der die Jugend in guten Künsten unterrichtet und in feine christliche Zucht, Tugend und Ehrbarkeit erzogen werden möge", einzurichten ist.

Am Kornmarkt im ehemaligen Franziskanerkloster wurde die neue Stadtschule gegründet. Sie entstand durch Zusammenlegung der Deutschordensschulen der Divi-Blasii-und Marienkirche. Im Brückenkloster sollte eine Mädchenschule eingerichtet werden, die aber erst 1565 ihre Tätigkeit begann. Als Rektor der Stadtschule wurde auf Empfehlung Philipp Melanchthons der bedeutende Pädagoge Hieronymus Wolf berufen, der bis 1544 an der Schule blieb. Diese Schule besuchten etwa 200 Schüler, sogenannte "Alphabetarii", die in den Fächern Latein und Griechisch Unterricht erhielten.

Nicht lange konnte die protestantische Stadtschule sich ihrer Existenz erfreuen. Als Kaiser Karl V. 1546/47 aus dem Krieg gegen die im Schmalkaldischen Bund zusammengeschlossenen evangelischen Fürsten siegreich hervorging, gewannen seine katholischen Anhänger in Mühlhausen ebenfalls den Einfluß. Sie erwirkten 1547 die Schließung der Stadtschule im Franziskanerkloster und die beiden Pfarrschulen an den Hauptkirchen übernahmen nun wieder den Unterricht. 1557 wurde unter Berufung auf den Augsburger "Religionsfrieden" von 1555 die lutherische Reformation in Mühlhausen erneut eingeführt.

Der erste Superintendent Hieronymus Tilesius forderte sogleich die Wiedereröffnung der Stadtschule. Im Jahr 1562 wurde mit der Unterstützung des Deutschen Ordens der Grundstein für ein neues Schulgebäude auf dem Hof der Blasiuskirche (heute: Untermarkt 6) gelegt. 1563 erfolgte die Einweihung der "nova schola". Ihr Rektor Donatus Groß und vier Lehrer unterrichteten zunächst in fünf Klassen.

Im Zusammenhang mit einem allgemeinen Aufschwung des geistigen Lebens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam auch die Stadtschule unter Magister Groß zur Blüte, gefördert durch die Superintendenten Tilesius und Helmbold. Der Schulbesuch war so gut, dass bald die Stelle für einen weiteren Lehrer genehmigt wurde.

1578 beschloß der Rat die Verlegung und den Neubau der Schule in der Neuen Straße (heute: Hausnummer 10). Das neue Schulhaus, das nun unmittelbar in der Nähe des Rathauses auf städtischem Boden lag, wurde 1580 eingeweiht. Ab 1626 führte die Stadtschule den Namen Gymnasium. Die Schwerpunkte des Unterrichts im 17. Jahrhundert lagen auf der grammatischen-logischen Schulung und dem praktischen Gebrauch der lateinischen Sprache. Vom eigentlichen humanistischen Bildungsideal rückte man allmählich ab.

Mitte des 18. Jahrhunderts gab es die ersten, für diese Zeit moderneren Ansätze im Mühlhäuser Stadtgymnasium, das mit dem schönen barocken Neubau von 1722 nun auch ein größeres Schulgebäude in der neuen Straße besaß, die Bildungsinhalte des Unterrichts zu erweitern. Neben den alten Sprachen, der Religion und dem Gesang sollten neue Fächer wie Mathematik, Erdkunde, Geschichte und Französisch gelehrt werden. Dies gelang den Lehrern zunächst nur in der Form der Privatstunden.

Noch immer war das Gymnasium die einzige Schule in der Stadt. Wirkliche Veränderungen, beeinflußt von den Ideen der Aufklärung und der Philantrophisten, brachte die Neuordnung des Gymnasiums erst nach 1800. Rektor Schollmeyer gliederte die Schule in Unter-, Mittel- und Oberstufe; ein Seminar für "künftige Schulmeister" wurde angeschlossen. 1840 trennte man die Unterstufe vom Gymnasium und eine selbständige Knabenschule wurde eingerichtet.

Beide Schulen, Gymnasium und Knabenschule, bezogen 1841 den Schulneubau in der Brückenstraße 32. 1870 wechselte das Gymnasium jetzt gemeinsam mit der 1869 gegründeten Höheren Bürgerschule in das neue Schulgebäude am Lindenbühl 61 (heute: Heimatmuseum) über. Die Höhere Bürgerschule wurde 1882 zu einer Realschule umgestaltet. Sie erhielt 1901 ein neues großzügiges Schulhaus in der Friedrichstraße (heute: Karl-Marx-Str. 35).

Im Jahr 1921 beendete das traditionelle "humanistische" Gymnasium seinen Lehrbetrieb. Als Reformrealgymnasium neu organisiert, bekam es 1927 mit dem Schulgebäude An der Burg 19 nun das fünfte Domizil in seiner Geschichte. 1938 erfolgte die Umbenennung des Reformrealgymnasiums in Oberschule für Jungen. Mit dem Befehl Nr. 40 der SMAD vom 25. August 1945 begann die Wiederaufnahme des Schulbetriebs am 1. Oktober 1945 in allen Mühlhäuser Schulen. Die getrennte Unterrichtung von Mädchen und Jungen wurde aufgehoben.

Die Oberschule An der Burg 19 erhielt 1959 die Bezeichnung "Erweiterte Oberschule" und ab 1975 bis 1990 führte sie den Namen Erweiterte Oberschule "Erich Weinert".

Nach der Organisationsverfügung des Thüringer Kultusministeriums wurde die Oberschule am 1. August 1991 in das Gymnasium übergeleitet. Inzwischen existieren drei höhere Schulen in Mühlhausen, so das Tilesius-Gymnasium mit seinen Schulgebäuden An der Burg 19 und Feldstraße 83-84, das Gymnasium in der Damaschkestraße 25 und das Berufliche Gymnasium Wagenstedter Straße 4. 

Beate Kaiser

(ehemalige Stadtarchivarin)

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